Escort und sexuelle Selbstbestimmung

Liebe Kunden und Interessenten,

 

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, trat am 30.04.2020 eine neue Verordnung in Kraft, die auch auf sexuelle Dienstleistungen Auswirkungen hat. Aufgrund dessen ist natürlich schon wieder überall von einem „Prostitutionsverbot“ die Rede. Das ist jedoch nicht korrekt. Wie ihr unter dem roten Link nachlesen könnt, untersagt die Verordnung in §9/2/7 das Betreten von Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution durch Besucher. Es besteht also ein Betretungs- und kein Tätigkeitsverbot. (Update am 04. Juni: Derzeit ended das Betretungsverbot für Bordelle mit Ende Juni, wie die Wiederaufnahme der nur noch in Österreich verpflichtenden Kontrolluntersuchungen organisiert wird, ist nach wie vor unklar).

 

Die Tätigkeit der Sexarbeit ist und war während der gesamten Zeit von Lockdown und Freiheitsbeschränkungen nicht “verboten”, auch wenn das von sogenannten Beratungsstellen und unseriösen Inseratenplattformen mitunter so behauptet wurde. Man kann nur mutmaßen über die Motive für solche Falschinformationen. Wollen sie die Dienstleisterinnen vor sich selbst retten? Ein ziemlich paternalistischer Zugang. Schließlich könnten Beratungsstellen ihren KlientInnen den Gesamtzusammenhang auch erklären, aber dafür wird ihnen wohl das Verständnis nicht zugetraut. Der Begriff des Verbots suggeriert eine strafrechtliche Bedrohung der Sexarbeit, die nicht gegeben ist.

 

Die Sexarbeit ist in Österreich im Verwaltungsrecht reglementiert und mit mehreren Auflagen belegt. Eine dieser Auflagen ist das Mitführen einer Kontrollkarte (umgangssprachlich “Deckel”), auf welcher die Einhaltung der vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen bestätigt wird. Man soll sich demnach alle 6 Wochen dieser Kontrolluntersuchung unterziehen. Diese wird auf dem Gesundheitsamt MA15 bzw. vom Amtsarzt an den Bezirksverwaltungsbehörden durchgeführt. Ich will hier gar nicht länger über Sinn bzw. wohl eher Unsinn dieser Untersuchungspraxis lamentieren – denn dazu reicht mir in einem einzigen Blogbeitrag der Platz nicht aus… Ich sag nur soviel: Österreich ist das letzte Land in Europa, welches noch an diesem rückschrittlichen Zwang zur Untersuchung festhält. Sonst hat man überall bereits eingesehen, was NGOs schon lange sagen: Es bringt nicht nur nichts, sondern es schadet sogar. Die Sexarbeiterinnen werden von Kunden leichter unter Druck gesetzt, ungeschützt zu arbeiten, da diese in der Untersuchung eine Art Garantie aufs Freisein von Krankheiten sehen, was natürlich totaler Schwachsinn ist. Krankheiten werden nicht ansteckender, wenn bezahlt wird. Die gesamte Verantwortung wird einseitig den Sexarbeitenden zugeschoben. Aber ok, lassen wir das, das führ ich ein anderes Mal aus. Fakt ist: Man braucht als Sexarbeiterin die Kontrollkarte.  Man muss sie bei Kontrollen, die in Einrichtungen der Prostitution regelmäßig vorkommen, den Beamten vorweisen können. Ansonsten bekommt man eine Verwaltungsstrafe. Einen Strafzettel, den man einzahlt. Keine Haftstrafe, keinen Kerker, oder was denen, die immer von “Illegaler Prostitution” und “Verboten” reden, sonst noch so einfällt (“ans Scheunentor nageln” war etwa kürzlich ein Vorschlag in einem Freierforum).

 

Nun ist es aber so, dass die Gesundheitsämter und die Bezirksverwaltungsbehörden keine Information haben bzw. geben können, wann sie diese Untersuchungen überhaupt wieder anbieten. Denn seit dem “Lockdown” sind diese ausgesetzt. Mittlerweile hat also niemand mehr eine gültige Kontrollkarte. Die sechs Wochen sind längst abgelaufen. Dies ist der Grund, warum nun mancherorts behauptet wird, die Sexarbeit sei “verboten”, was fälschlicherweise eine strafrechtliche Relevanz suggeriert. Der Zugang zu legaler, den Vorschriften entsprechender Sexarbeit, ist den SexarbeiterInnen jetzt verwehrt, das ist für die Existenzsicherung vieler DienstleisterInnen schlimm genug. Aber die neue Verordnung hat deswegen noch lange kein “Verbot” bewirkt.

 

Ich selbst habe mir die Kontrollkarte geholt, weil ich am eigenen Leib erfahren wollte, wie das ist, in Österreich registrierte Sexarbeiterin zu sein. Ich habe sie mir auch deshalb geholt, weil ich die Inhalte meiner Dienstleistung beim Namen nennen und damit ein Stück weit dazu beitragen wollte, sie als Profidienstleistung zu etablieren. Ja, ich wollte “Schwanz” sagen und schreiben können. Ich wollte davon sprechen und schreiben können, wie schön es ist, mit einem Mann ein befriedigendes Erlebnis zu gestalten, an dessen Höhepunkt er voller Genuss abspritzt, um dann gemeinsam mit mir wieder von Wolke 7 herunterzuschweben. Ich wollte  sagen und schreiben können, dass dies etwas Gutes und Sinnvolles ist, dass dies die Menschen glücklich macht, dass ich damit Erfahrungsräume eröffne, die diese Menschen aus verschiedensten Gründen sonst nicht realisieren können – und dass ich dafür bezahlt werde.

 

Das tue ich ab sofort nicht mehr. Ich biete keine Sexarbeit mehr an. Ich spreche und schreibe nicht mehr von Schwänzen und vom Abspritzen. Nicht mehr von Erregung, nicht mehr von der Erfüllung sexueller Träume, denn ich darf mich dafür nun nicht mehr bezahlen lassen. Ich füge mich schweren Herzens den Bestimmungen, die ich nicht ändern kann.

 

Ich biete jedoch im Gegenzug etwas anderes an, und zwar das Wertvollste, was ein Mensch einem anderen Menschen geben kann:

  • meine Gesellschaft,
  • meine Begleitung,
  • meine ungeteilte Aufmerksamkeit frei von Vorannahmen, oder schlicht:
  • meine Zeit.

Mehr noch als bisher bucht man mich ab sofort also nur noch für die gemeinsam verbrachte Zeit. Das ist gar nicht so abwegig, wie das viele glauben mögen und entsprach auch schon früher defacto meinem persönlichen Verständnis meiner Dienstleistung. Alle glaubten immer, da wird gerammelt, was das Zeug hält, doch das war in Wahrheit überhaupt nicht so. Ich hab mir mal die Mühe gemacht, mitzuprotokollieren: Ungefähr ein Drittel meiner Dates war immer schon komplett sexlos. Sehr oft ist es tatsächlich “nur” die Gesellschaft, die große Intimität, die ein ganz anderes, tieferes Vertrauen ermöglicht, weil die sexuelle Option ständig als spürbares Knistern über der Begegnung schwebt, auch wenn sie dann nicht verwirklicht wird. Diese “Option auf mehr” reicht oft schon, damit Begegnungen unvergesslich werden, auch wenn es dann gar keinen Sex gibt. Man ist auf einer anderen, psychologischen Ebene viel stärker miteinander verbunden. Und das kann genauso als Urlaub vom Alltag wirken wie ein Sexdate.

 

Auf diese Begegnungen lege ich nun meinen Fokus. Die Bezahlung erfolgt ausschließlich für die Zeit. Und ich betone, ich betone es deutlich: Ich berufe mich in allem was ich tu auf mein unantastbares Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Niemand kann uns vorschreiben oder verbieten, dass wir uns frei dafür oder auch dagegen entscheiden, mit jemandem zu schlafen. Ich habe immer das Recht, situativ, frei und spontan zu entscheiden, mit wem ich mich einlasse. Dies mögen manche von einem moralischen Standpunkt aus verurteilen – das sei ihnen unbenommen. Niemand muss das mögen. Jeder kann für sich gegen freie Sexualität sein. Aber: Niemand kann mir seine eigenen Moralvorstellungen aufzwingen – DAS wäre unmoralisch. Niemand kann mich in meiner sexuellen Selbstbestimmung beschneiden. Mich in diesem Recht einzuschränken – DAS wäre verboten.

 

Wenn du mich also für eine gemeinsame Zeit buchst, kann ich nicht garantieren, dass ich dann nicht auch mit dir schlafen möchte. Zugegebenermaßen erregt mich der Gedanke, einen fremden Mann in seiner Wohnung oder in einem Hotelzimmer zu treffen. Dies hat jedoch mit der Bezahlung absolut nichts mehr zu tun. Mein Tun ist immer Ausdruck der Verwirklichung meiner sexuellen Selbstbestimmung, die nur dort eine Grenze hat, wo ich deine Selbstbestimmung beschneide. Ich wäre also wahrscheinlich traurig, wenn du mich abweist. Aber ich würde das natürlich respektieren und darauf achten, dass du dennoch einen schönen Abend hast – denn für die schöne gemeinsame Zeit hast du mich ja bezahlt.

 

In diesem Sinne wünsche ich uns allen in Zukunft wieder viele schöne gemeinsame Stunden. 🙂

2 Kommentare
  1. M.
    M. sagte:

    Sehr schoen auf den Punkt gebracht, darf mich mit einem kleinen “Support” anschliessen.

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