Liebe Leute, ich darf euch noch eine wichtige Veranstaltung zur Kenntnis bringen! Die großartige Christine Nagl von PiA Salzburg referiert am 24.03. im NiG über die Auswirkungen der Kriminalisierung von Sexarbeit in Europa. Hier die Ankündigung des queer sexworkers collective:

 

Das queer sex workers collective lädt zusammen mit der HUS zum Vortrag mit Diskussion ein: “Auswirkungen der Kriminalisierung der Sexarbeit in Europa”. Mit Christine Nagl von der Beratungsstelle PiA.

 

Verhüten, bekämpfen; schützen, unterstützen: diese Worte werden laut (und stolz) ausgesprochen, wenn es um Gesetze und Maßnahmen geht, die die Sexarbeit kriminalisieren. Da wird „ein Ende gemacht“, Betroffene können, so heißt es, Hilfe erwarten und Unterstützung beim Ausstieg erhalten. Das „Schwedische“ oder „Nordische Modell“ wird in immer mehr europäischen Ländern gesetzlich verankert und als Schritt gefeiert, der Gewalt gegen Frauen an einem neuralgischen Punkt reduziert.

 

Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Wirkt sich das Modell tatsächlich positiv aus, auf jene, die Sexarbeit anbieten (müssen)? Ganz und gar nicht, sagt Christine Nagl. Und sie muss es wissen: Seit über 20 Jahren engagiert sie sich für Menschenrechte, insbesondere im Bereich der Sexarbeit – u.a. in der Arbeitsgruppe Prostitution des Bundeskanzleramts, beim Projekt PiA (einer Beratungsstelle für Sexarbeiter*innen) und als ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins sexworker.at. Sie beobachtet es täglich: Wird Sexarbeit kriminalisiert, führt das zu einem deutlichen Mehr an Gewalt und Gefahr für alle Beteiligten. Und der propagierte Ausstieg ist längst nicht so einfach wie gerne behauptet wird.

 

Woran das liegt, worin der Denkfehler jener besteht, die sich – auch in Österreich – für das schwedische Modell stark machen, und wie ein anderer, deutlich besserer Umgang mit Sexarbeit aussehen könnte, erklärt Christine Nagl in ihrem Vortrag. Fragen sind willkommen, nach dem Vortrag gibt es ausreichend Zeit für Diskussion.

 

 

Ort: Neues Institutsgebäude (NIG) Wien, Hörsaal II.

 

Zielgruppe: Beteiligte und Interessierte, aber auch alle, die sich nach gutem Diskurs sehnen, weil ihnen Schwarz-Weiß-Lösungen und Law and Order zunehmend gegen den Strich gehen.

Liebe Leute, bitte teilt in euren Socials dieses Webinar und meldet euch an! Es geht um Großes, nämlich die Zukunft der Sexarbeit in der EU. 

Hier der Einladungstext zum Webinar von Monika Vana MEP

 

Liebe Interessierte!

Ihr seid herzlich eingeladen zum Webinar “I am a sex worker and I have rights – no matter what!”

Im Europaparlament wird gerade ein Bericht zu Regulierung von Prostitution heiß diskutiert: Was muss/kann und soll die Europäische Union für die Rechte von Sexarbeiter:innen tun? Als Shadowrapporteurin für Greens/EFA setze ich mich gemeinsam mit NGOs und Expert:innen für die Rechte von Sexarbeiter:innen ein.

Ich freue mich darauf mit

Meri Disoski, Bundesfrauensprecherin der Grünen und Vorsitzende der Grünen Frauen Österreich

Maria Hörtner, Mitarbeiterin in LEFÖ-TAMPEP – Beratung und Gesundheitsprävention für Migrantinnen* in der Sexarbeit

und Thorja von Thardor, sexworker.at

über aktuelle Entwicklungen zur Regelung von Sexarbeit auf EU Ebene und in Österreich zu diskutieren, welche feministischen Herausforderungen der Bereich mit sich bringt (von Entkriminalisierung bis zur Kritik am „Schwedischen Modell“) und wie die Rechte von Sexarbeiter:innen gestärkt werden können.

Wann: am 20. März von 16:30 – 18:00 Uhr

Wo: Webinar auf Zoom

Nach der Anmeldung erhaltet ihr in der Mail zur Auftragsbestätigung den Link zur Veranstaltung (ganz nach unten scrollen!).

Wir freuen uns auf euch!

Anmeldung:

https://www.eventbrite.com/e/einladung-webinar-i-am-a-sex-worker-and-i-have-rights-no-matter-what-tickets-579334092867

 

Vielen Dank fürs Teilnehmen, Weitererzählen und Teilen! ❤️

 

Heute findet die regelmäßige Tagung der Allianz PRO SEXWORK in Linz statt. Wir haben viele wichtige Themen auf der Agenda, die sich vor allem drehen um:

  • Arbeitsbedingungen in den Bundesländern 
  • Vorbereitung der neuen Presseaussendung 
  • Schärfen einer gemeinsamen Linie zu den aktuellen und bevorstehenden Entwicklungen im Feld der Sexarbeit

Zur Allianz PRO SEXWORK gehören alle in Österreich relevanten NGOs, die sich parteiunabhängig für einen Abbau diskriminierender Regularien und die Stärkung der Rechte aller Sexarbeitenden, unabhängig von ihrem Legalitätsstatus, einsetzen und die Achtung der Menschenwürde nach den Prinzipien der EMRK in Gesetzgebung und Exekutive fordern. Hier die ausführliche Position der Allianz

 

Der Allianz PRO SEXWORK gehören folgende Organisationen an:

PiA Information und Beratung für Sexarbeiter*innen
LEFÖ Beratung, Bildung und Begleitung von Migrantinnen
maiz Autonomes Zentrum von und für Migrant*innen
SXA Information und Beratung für Sexarbeiter*innen
IBUS Innsbrucker Beratung und Unterstützung für Sexarbeiter*innen
Sexworker.at Sexworker Forum – Selbstorganisation von Sexarbeiter*innen
red edition Red Edition Migrant Sexworkers Group Austria

 

Ich freu mich schon sehr auf den Austausch, und natürlich auf meine Heimat Linz. Ich werde mit meinem Mann gleich das ganze Wochenende bleiben. Vielleicht gibt’s dann ja Adult Content vom Pöstlingberg. 😁 

Auf geht’s nach Westen! ❤️

 

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…ist die einzigartige Begleitung für intelligente Menschen. ❤️ 

Seit einigen Wochen betreibe ich kalten Entzug vom Konsum der gängigen Freierforen.

Umso mehr Abstand ich gewinne, desto besser kann ich zusammenfassend zurückschauen. Ich erinnere mich, wie beschmutzt ich mich fühlte, als mir mal jemand incognito Einblick gewährte in ein Forum, das nicht öffentlich zugänglich ist, sondern in dem Freier sich verifizieren müssen. In einigen Foren geht es exakt so zu, wie Sexkaufgegner*innen es zu Recht anprangern: menschenverachtend, gewaltverharmlosend, aufhetzend. Die User geben sich gegenseitig Tips, wie sie die Sexworker bestmöglich hintergehen können, posten als Trophäen verdeckt aufgenommene Fotos, bestärken sich gegenseitig in der Anwendung von Gewalt. Das ist furchtbar und verabscheuenswürdig. Es ist absolut verständlich, wenn sich bei Außenstehenden der Eindruck erhärtet, in der Sexarbeit gehe es so zu, wie es in Freierforen beschrieben wird. Diese Erfahrung mache ich immer wieder mit Studierenden, die zu Sexarbeit forschen, zu diesem Zweck erst mal Freierforen lesen und dementsprechend erschüttert sind. Ich möchte jedoch zu bedenken geben:

1.) Freierforen repräsentieren keinen Querschnitt

Ein sehr großer Anteil der Männer hat schon mindestens einmal erotische Dienstleistungen in Anspruch genommen. Je nach Art der Fragestellung kommen Studien (ich überblicke derzeit die kolportierten Zahlen nur für Deutschland) auf 15-30% aller Männer. Man käme demnach für Deutschland auf bis zu rund 12 Mio “Freier”. Wie viele User schreiben aber in Freierforen? Einige 100, bestenfalls einige 1000? In Österreich hat man den Eindruck, dass in allen Foren dieselbe, überschaubare Handvoll derartiger Schreiberlinge aktiv ist. Liest man regelmäßig mit, hat man bald das Gefühl, sie alle persönlich zu kennen. Meist kann man den Verlauf von Freierforendiskussionen gut vorhersagen, weil man dann schon weiß, wer gerne mit welchen Themen zündelt, wer worauf wie reagiert, welche Seil- und Feindschaften es unter den Usern gibt. Die meisten echten Kunden jedoch kennen keine Freierforen. Als ich vor vielen Jahren selbst noch in einem Forum sehr aktiv war, versuchte ich sogar manchmal, meine Kunden darauf hinzuweisen und sie zu ermutigen, mitzuschreiben. Es war jedoch so gut wie jedem zu blöd, sich zu registrieren oder gar längerfristig aktiv zu bleiben. 

2.) Phantasiegeschichten

Es ist nicht nachvollziehbar, ob die Dinge, die diese Typen von sich geben, überhaupt jemals so oder ähnlich stattgefunden haben. Vieles entspringt dem Reich der Phantasie und dient der Angeberei vor den “Mitfickern”. Das hat sich mir eindrucksvoll bestätigt, als ich mitbekam, wie ein betagter und körperlich schwer beeinträchtigter User in einem Forum wegen der Darstellung von Gewalt gesperrt worden war: Ich kannte ihn persönlich und wusste, dass sich die Dinge nicht zugetragen haben konnten, wie er sie dargestellt hatte – weil ihm die körperlichen Voraussetzungen dazu fehlten. Tatsächlich ist es so, dass sich bei Menschen, die man im Real Life gut kennt und eigentlich mag, im Netz oft Abgründe auftun und man sich nur erschüttert fragt: Hä, was gibst du da von dir? 

3.) INCELS

Viele Freierforen sind Magnete für Incels: Dies ist ein Kofferwort für “involuntary celibates”, unfreiwillig Zölibatäre, quasi. Diese Männer zeichnen sich durch ein verschwörerisches Weltbild aus, in welchem Frauen die eigentlich Herrschenden seien und Männer durch die Verweigerung von Sexualität und Liebe erniedrigten und ausbeuteten. Nach Incel-Ideologie haben Männer jedoch ein naturgegebenes Recht auf eine Vormachtstellung und auf Sexualität. Incels bestärken sich gegenseitig in ihrem Selbstmitleid darüber, dass sie die eigentlichen Opfer der Frauen sind, die ihnen diese Vormacht streitig machen. In Teilen billigen sie deshalb auch Gewalt gegen Frauen, vor allem sexuelle Gewalt. Sexarbeiterinnen sind, folgt man der Incel-Logik weiter, die schiere Manifestation der Männerunterdrückung: Männern wird demnach nicht nur der Zugang zum Sex verwehrt, der ihnen doch zustehe, sondern sie werden auch noch ökonomisch ausgebeutet, indem sie bezahlen müssen.

Freierforen dienen gerne dem Schwanzlängenvergleich dieser frustrierten Männer, die wütend darüber sind, dass sich im Leben abseits des Paysex Frauen für sie nicht interessieren – weder sexuell, noch romantisch. Aber anstatt sich einfach darüber zu freuen, dass es Sexdienstleistungen gibt, die sie unkompliziert in Anspruch nehmen könnten, fühlen sie sich von der Notwendigkeit der Bezahlung erst recht herabgewürdigt. Sie bestätigen sich in den Foren dann gegenseitig in ihrer Wut, dass sie für Sex zahlen MÜSSEN. Jedes Honorar ist dann zu viel, die Leistung grundsätzlich zu wenig, und wenn das Honorar ein Spottpreis ist, dann ist die Betreffende eine “billige Nutte, die keine andere Behandlung verdient hat”. Ich glaube, dass Freiern vom Schlag der Incels ein Vergütungsverbot für Sex sogar sehr recht wäre. Manche Freierforen sind also eher als Incel-Foren zu lesen. Wer sich diesen Vergleich mal anschauen mag (und einen guten Magen hat) google Incel-Foren. Klickt man dort beliebig irgendwo hin, könnte man ob des verschwörerischen und menschenverachtenden Tonfalls oft meinen, man befinde sich in einem Freierforum.

Wer sich für die Incelforschung interessiert, findet hier einen ganz guten Einstieg: NDR – Die Zerrwelt der Frauenhasser.

…und hier im Interview mit Susanne Kaiser einen Überblick: Die Stimmung in diesen Foren ist düster.

Doch so sehr man angesichts der Schilderungen in diesen Publikationen auch die Stimmung der Freierforen wiedererkennt, so sehr es angebracht ist, besorgt zu sein ob des Erstarkens dieser monströsen Ideologie, und so sehr natürlich die Vernetzungsmöglichkeiten des Internets der Incel-Verschwörungstheorie Aufschwung verleihen: Die Mehrheit der Männer sind keine Incels. Aber ein großer Anteil aller Männer war schon mal Freier. 

4.) Menschenverachtung ist nicht auf Freierforen beschränkt

Nicht nur in Freierforen geht es menschenverachtend zu, sondern mitunter auch in Sexforen, die nichts mit bezahlten Dienstleistungen zu tun haben. Als etwa das Thema Stealthing (unabgesprochenes Abziehen des Kondoms in hintergehender Absicht) mediales Aufsehen erregte, wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es Foren gibt, in denen Männer sich gegenseitig Tips dafür geben. Das sind/waren allesamt “normale” Foren oder Social-Media-Plattformen, in denen Männer hinter dem Schutz anonymer Nicknames damit prahlen, wie sie beim Sex unbemerkt das Kondom abziehen und die Frauen in weiterer Folge damit beschämen, dass diese wohl zu “ausgezaht” seien, wenn sie das nicht spüren – mit dem leisen Unterton, dass es sonst wohl von den Frauen gewollt sein muss. Wenn eine Frau demnach nicht protestiert beim (wohlgemerkt verheimlichten) Abziehen des Kondoms, will sie es also selbst, oder sie ist zu “ausgezaht”, “verbraucht”, und was man sonst noch alles an toxischen Körperbildern vom Stapel lassen kann. 

Das ist ein Ausdruck von Verachtung, Hass, ein sich Aufspielen zu demjenigen, der einfach über andere bestimmt. Male Supremacy at its best. Doch dies hat nichts damit zu tun, ob Geld den Besitzer wechselt. Es hat in erster Linie etwas mit unseren Geschlechterverhältnissen zu tun, dass es Männer gibt, für die diese Art des Hintergehens und der Grenzüberschreitung einen Reiz darstellt. Es ist wieder dieses Trophäensammeln: “Sie hat es nicht gewusst, ich war in irgendeiner Weise in einer Machtposition, ich habe mich durchgesetzt und sie hat es nicht mal bemerkt – und jetzt krieg ich Schulterklopfer von meinen Kollegen”. Das ist sehr unreif und unwürdig, richtig. Aber es hat nichts mit Sexarbeit zu tun und beschränkt sich deshalb nicht auf Freierforen. Frauen- und somit Menschenverachtung ist ein viel tiefersitzendes Problem. 

Das Toxische an den Freierforen

Es gibt diesen feinen Unterschied: In Foren, in denen gut moderiert wird, hält sich auch der Umgangston in Grenzen. Wo Frauen mitschreiben, ebenso. Das ist in allgemeinen Sexforen mit hoher Frauenbeteiligung gut zu sehen, denn das wird den Incels schnell zu mühsam. Wohlgemerkt schreiben die Frauen dort ebenso anonym wie die Männer, haben also die dieselben Partizipationsvoraussetzungen. In Freierforen gibt es dagegen kaum Beteiligung von Sexworkern, da diese ja nicht anonym schreiben, sondern meist erkennbar in ihrer Marktidentität. Somit haben sie gegenüber allen anderen anonymen Usern den entscheidenden Nachteil, dass sie sofort persönlich angegriffen und diffamiert werden können. Jede Sexarbeiterin, die sich in einem Freierforum kritisch einbringt, bekommt zu hören, was an ihr alles hässlich und abstoßend sei, auch wenn sie und ihr Angebot gar nicht Thema der Diskussion waren. Freierforen sind also kein sicheres digitales Umfeld für Sexworker. Hinzu kommt, dass sie mitunter auch aktiv von Moderationsseite vom Mitschreiben ausgeschlossen werden, da ihnen jede Aktivität als “Werbung” ausgelegt wird. Die meisten Foren, auch jene, die sich als sexworkerfreundlich beschreiben, haben strenge Regeln, unter welchen Umständen Sexworker sich überhaupt äußern DÜRFEN (“nur allgemeine Aussagen, nur kurze Entgegnungen, Nennung von Öffnungszeiten” etc.). Es ist also sehr schwer bis unmöglich, in Freierforen eine alternative Sichtweise einzubringen. 

Aus diesem Grunde hab ich damals, als ich noch forenaktiv war (das war so 2018/19 herum), ein Subforum in einem bekannten Freierforum gekauft, um dort unbehelligt schreiben zu können. Dies hatte den entscheidenden Vorteil, dass ich mir kein Blatt vor den Mund nehmen musste, und dass ich schließlich, nachdem mir die ewige Wiederholung der ewig selben Themen irgendwann zu blöd geworden war, alles wieder löschen konnte. Daher gibt’s von mir und über mich kaum Beiträge in Freierforen: Es war irgendwann alles (mehrfach) gesagt – und dann hab ich es gelöscht. 😁 War aber irgendwie auch eine geile Zeit. Aber auch nur deshalb, weil ich immer wusste, ich kann mein eigenes Subforum weitgehend selbst administrieren und im Notfall an die Wand fahren. Ich habe also selbst für meine digitale Sicherheit in diesem Medium gesorgt und auch sichergestellt, dass ich keine unbeabsichtigten Spuren hinterlasse – was natürlich auch eine Stange Geld gekostet hat. Das Subforum hat mich im Monat so viel gekostet, wie meine erste eigene Wohnung. 

Radikalisierung der Male Supremacy

Doch worauf ich hinauswill: Aus den genannten Gründen schreiben die wenigen Sexworker, die sporadisch in Freierforen aktiv werden, meist nicht lange darin mit. Somit sind Freierforen mehr als andere Foren gefährdet, zu dieser toxischen, incel-artigen, verschwörerischen, schulterklopfenden, hegemonial-männlichen Maulheldenpartie zu werden, die extreme Intimitäten bis hin zu Gewaltverherrlichung an die Öffentlichkeit zerrt. Ein Korrektiv anderer Sichtweisen fehlt ihnen per definitionem. In der sozialwissenschaftlichen Radikalisierungsforschung wird genau darauf hingewiesen: Der Verlust von Komplexität durch Ausschluss anderer, auch moderater Sichtweisen, führt zu einer Zuspitzung des Diskurses, die in Radikalisierung münden kann. Es wäre sehr interessant, sich Freierforen mal aus Perspektive der Radikalisierungsforschung anzusehen. Also, all ihr lieben Student*innen, die ihr die Sexarbeit immer für so ein cooles, subversives Thema haltet und uns regelmäßig mit Forschungsanfragen traktiert: Das wäre Stoff für eine Masterthese, auf geht’s! 👌 Ich unterstütze ein solches Forschungsprojekt mit einem Privatstipendium in Höhe von 5% meines monatlichen Escorteinkommens. Bin aber nur noch für Stammkunden aktiv – erwartet euch also nicht zu viel. 

Auch in der sexarbeitspositiven Community werden Freierforen kontrovers diskutiert. Manche fordern bessere Moderation, manche Verbote. Meine persönliche Meinung hierzu ist, dass man Symptome von Menschenverachtung nicht verbieten kann. Mit Verboten verlagern sich diese Symptome nur in offshore gehostete Foren, die sich an keinerlei Recht halten müssen. In diesen Foren geht es mit Abstand am schlimmsten zu, und es gibt keinerlei Handhabe mehr, gewaltverherrlichende Postings zu löschen, kein Impressum, das man kontaktieren kann, keine erreichbare Administration.

Verbote, bestimmte Inhalte öffentlich zu posten, können außerdem auch leicht umgangen werden, indem die User sich einloggen müssen und die Inhalte dann nur noch für eingeloggte User sichtbar sind. Ich persönlich hege die Befürchtung, dass die Radikalisierung unter diesen Umständen noch schneller voranschreitet, da die User sich dann ganz “unter sich” fühlen. Auch wenn theoretisch ab einer gewissen User- oder Zugriffszahl wieder eine “Öffentlichkeit” besteht und das Gesetz wieder greifen müsste – wer prüft das, wer judiziert das aus? Wer tut sich das an? 

Folgen der Stigmatisierung auf beiden Seiten

Aus meiner Sicht wäre die Schaffung neuer Rechtsgrundlagen auch gar nicht notwendig, da die einschlägigen Gesetze in Österreich ja bereits existieren, um menschenverachtenden und gewaltverharmlosenden Postings in Freierforen den Garaus zu machen. Es wird sich nur einfach nicht daran gehalten: Weil die Moderation der schieren Menge an Postings nicht nachkommt, und vor allem, weil Sexworker sich kaum dagegen zur Wehr setzen. Es wird eher zähneknirschend geduldet.

Und das hat seinen Grund wiederum in der Stigmatisierung: Mit der Moderation Kontakt aufnehmen, sich selbst und die eigene Sexarbeit thematisieren, den Inhalt grauenhafter Postings noch mal extra wiederholen müssen, mit der Gefahr, süffisant abgewiesen, ausgelacht oder komplett ignoriert zu werden? Wer tut sich das an? Auf einer bekannten Anzeigenplattform gibt es derzeit einige “Erfahrungsberichte”, von denen man leider sagen muss, dass sie Vergewaltigungen beschreiben. Hinweise an den Seitenbetreiber verhallen im Nirvana. Anstatt sich diese Frustration anzutun, warten die Betroffenen daher lieber, dass die grausigen Postings in der Versenkung verschwinden, weil eh jeden Tag Tonnen von neuen Postings draufgekippt werden. 

Die Stigmatisierung der Sexarbeit führt auch dazu, dass moderat gestimmte Männer, die den Großteil unserer Kunden darstellen, sich lieber in Schweigen hüllen. Wie schier unfassbar groß die Stigmatisierung der Sexarbeit in AT ist, hat sich wieder eindrucksvoll gezeigt, als der OGH kürzlich einen Anwalt zu einer Strafzahlung verurteilte, weil dieser sich öffentlich mit Sexarbeiterinnen gezeigt hatte. Der Standard berichtete hier. Von welchem Menschenschlag der Typ ist, der als Möchtegern-C-Promi Sexarbeiterinnen für seine eigene Mediengeilheit instrumentalisiert, genauso wie sein Hawara, ein bekannter Bordellbetreiber, der sich stets als beschützender Patriarch mit zwei “Hasen” an seiner Seite zeigt, möge jeder selbst beurteilen. Und ob er ein Rassist ist, wenn er manchen Ethnien mehr und manchen weniger Attraktivität zuschreibt und moniert, dass es “derzeit keine Klassefrauen” gebe, weil bestimmte von ihm bevorzugte Ethnien auf dem Markt unterrepräsentiert seien, ebenso. Was für ein Würschtel muss man sein, wenn man in der heutigen Zeit öffentlich so argumentiert?

Aber dafür, ein Würschtel zu sein, wurde er nicht zu einer Strafzahlung verurteilt, sondern fürs schlichte Sich-Zeigen mit Sexarbeiterinnen. Und das ist ein noch viel größerer Skandal und einer zeitgemäßen Rechtsprechung unwürdig. Sogar im meist nicht sonderlich sexarbeitsfreundlichen Standardforum war die Stimmung eindeutig. 

Kein Wunder also, dass jene Männer, die angenehme und gute Kunden sind, lieber nichts sagen, lieber nicht auffallen, genauso wie unsere Kundinnen. Es ist allerhöchste Zeit, endlich massiv für eine Entstigmatisierung einzutreten. Nur dann, wenn es nicht mehr so was “Arges” ist, Sexdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, kann man auch breiter darüber sprechen und wird der Diskurs bunter und vielfältiger. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass auch moderat Gestimmte und Frauen, die schließlich auch als Kundinnen existieren, sich zu Wort melden, sich einmischen, einfach ganz selbstverständlich da sind, um der hegemonial-männlichen, incelartigen Radikalisierung in Freierforen entgegenzuwirken, um die radikalen Ansichten in Schach zu halten. Weniger Radikalisierung und weniger Incels bedeuten auch weniger persönliche Angriffe gegen identifizierbare, mitschreibende Frauen, wodurch die einschlägigen Foren auch für sie wieder ein sichereres Umfeld werden können.

Öffnung oder Verbot?

Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist also nicht ein Verbot die Lösung, sondern ganz im Gegenteil eine Öffnung des Themas für ein viel breiteres Spektrum an Stimmen, die den Querschnitt der Kunden bzw. aller Beteiligten viel besser repräsentieren. Dazu würde etwa auch gehören, Sexworkern die Teilnahme an Foren in einer für sie sicheren Art und Weise zu ermöglichen, sie dazu zu ermutigen, beispielsweise mit der Einführung zusätzlicher Funktionen wie effektives Blocken unangenehmer User, unbeschränkte Administrationsrechte an den eigenen Beiträgen, mehr und effektivere Moderation, strengere Sanktionen bei persönlichen Untergriffen und generell der Möglichkeit eines nicht-geschäftlichen Zweit-Accounts, um ebenso anonym unter dem Radar partizipieren zu können wie alle anderen User. 

Umso mehr wir jedoch im Stigma bleiben oder gar ins Verbot gehen, umso “geheimer” und damit verschwörerischer wird es, befürchte ich. Man schließt damit ausgleichende, alternative Stimmen und Sichtweisen komplett aus, bis hin zur Radikalisierung ála Incel-Offshore-Forum. Nicht AO-, sondern IO-Forum, quasi. Das ist meine persönliche Ansicht, die natürlich von meiner generellen Weltanschauung geprägt ist. Ich kann aber auch durchaus nachvollziehen, dass andere meinen, ein klares Verbot dieser Foren oder bestimmter Arten von Postings sei wichtig, um deren generelle Unerwünschtheit zu zeigen, quasi als Signal. Persönlich bin ich jedoch der Ansicht, dass dies wenig bringt und nur zu verschwörerischer Umgehung oder gar noch schlimmeren Phänomenen führt. 

Das gesellschaftliche Klima als Nährboden für Diskurse

All das ist auch nicht isoliert zu betrachten, sondern sollte eingebettet in ein gesellschaftliches Klima gesehen werden, welches bestimmte Diskurse fördert, andere dagegen eher erschwert. Und dieses gesellschaftliche Klima ist natürlich auch von den hier herrschenden Gesetzen mitgeprägt. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Stigma kills. Ich sehe daher den Gesetzgeber in der Verantwortung, einen Prozess zumindest des Nachdenkens einzuleiten, indem all die diskriminierenden Gesetze, die das Hurenstigma affirmieren, endlich restlos abgeschafft werden. Die Regulierungseskalation, die Helga Amesberger in ihrer Forschung so deutlich herausgearbeitet hat, ist für das Hurenstigma Symptom und Grundlage zugleich.

Hier eine in wenigen Minuten bewältigbare Publikation zu diesem Thema von ihr: Realitäten der Sexarbeit und der feministische Streit darum.

Und hier ein kurzes Interview mit Helga Amesberger: Die Debatte über Sexarbeit ist eine moralische.

Unter der Regulierungseskalation versteht man demnach einen Zirkelschluss, bzw. eine Art sich selbst verstärkende Spirale der immer selben falschen Schlussfolgerungen: Regeln werden aufgestellt, die weltfremd sind und daher nicht eingehalten werden – deshalb will man als Reaktion noch strenger regulieren, verbieten und kontrollieren – dadurch entstehen jedoch logischerweise noch mehr Regeln, die nicht eingehalten werden – als Reaktion darauf wird wieder strenger reguliert, verboten und abartig bis ins Intimste kontrolliert, sodass es schon ans Perverse grenzt (erst nach massiver Intervention der politisch für Sexarbeit aktiven NGOs wurde etwa erst in jüngster Vergangenheit abgestellt, dass den Frauen in Bordellen auf dem Verrichtungsbett von Ärzten Scheidenabstriche genommen werden, was aufgrund des Verbots von Wanderpraxen in Österreich nie hätte stattfinden dürfen – nur ein Beispiel von vielen). Das Ergebnis ist ein unüberschaubarer Wust an zum Teil kleinteiligsten Regelungen, sodass man als Sexworker eigentlich fast immer irgendwas falsch macht, je nachdem, wo man wen wie trifft oder das Treffen anbahnt.

Das geht so weit, dass man im Prinzip immer davon ausgehen muss, von jemandem erpressbar zu sein. Irgendwas wird schon wieder nicht gepasst haben: Im falschen Bundesland den falschen Ort für ein Treffen ausgesucht? In der falschen Region nicht auf die nur hier geltende Abstandsregel zu öffentlichen Einrichtungen geachtet? Sich “International Escort” genannt oder eine nicht-österreichische Impressumsadresse angegeben, und damit den Verdacht des grenzüberschreitenden Menschenhandels auf sich gezogen? Tja, und schon hat man den Scherm auf. 

“Mit denen kann man es ja machen”

Dieser ganze Wahnsinn gehört dringend abgeschafft. Er ist weltfremd, nicht durchsetzbar und bringt diejenigen, die er schützen soll, regelmäßig in die Gefahr von Erpressung und Polizeiverfolgung. Vor allem aber erzeugt er eine Stimmung, die man so umschreiben könnte: “Mit denen kann man es ja machen: Denen kann man Pflichten auferlegen, die im Rest der zivilisierten Welt bereits als menschenrechtsverletzend abgeschafft sind”.

Wenn der Staat schon dieses Signal setzt, dann ist es kein Wunder, dass dies weiterwirkt bis hin zur persönlichen Einstellung einzelner Incels gegenüber Sexarbeitenden in Freierforen. Sich davon endlich mal zu verabschieden, wäre ein wichtiger erster Schritt, ein Signal, ein Statement, wovon die Stimmung, das gesellschaftliche Klima sich zugunsten der Sexarbeit (und auch zugunsten ihrer Kunden) ändern könnte. Incels fühlen sich in einem solchen Klima nicht wohl. Und das kann für dem Umgangston in Foren nur förderlich sein. 

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Ja, so einfach ist das eigentlich. Und doch so oft so schwer zu verstehen. Als Nachreichung zum Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden am 17.12. bringe ich euch hier die diesjährige Presseaussendung der Allianz PRO SEXWORK der auch unsere Selbstvertretungs-NGO Sexworker.at angehört, zur Kenntnis: 

 

PRESSEAUSSENDUNG 17.12.2022


Sexarbeitende* fordern ein Ende der Stigmatisierung


Anlässlich des 17. Dezember, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Sexarbeitenden, fordert die Allianz Pro Sexwork auch im Jahr 2022 erneut eine Entstigmatisierung von Sexarbeit – vor allem auch in der medialen Berichterstattung.


Sexarbeit ist kein Synonym für Menschenhandel und muss dementsprechend differenziert auch in den Medien behandelt werden. Gewalt und Ausbeutung sind keine inhärenten Eigenschaften der Sexarbeit, sondern durch strukturelle, rechtliche und staatliche Rahmenbedingungen begünstigt. Diskriminierende Zuschreibungen und Pauschalisierungen von Sexarbeitenden in den Medien verschärfen die ohnehin schon prekäre Situation.


„Egal wo man hinschaut, das Thema Sexarbeit wird stigmatisierend behandelt. Die mediale Berichterstattung, politische Stimmen aber auch öffentliche Diskurse sind oft voyeuristisch, rassistisch und diskriminierend. Nur selten wird den Stimmen der Sexarbeitenden Gehör gegeben. Sexarbeit wird kaum als legale Erwerbstätigkeit, welche sie in Österreich ist, betrachtet, sondern vielmehr als eine kriminelle Tätigkeit. Es braucht daher einen
akzeptierenden Zugang zur Sexarbeit, der Stereotype abbaut und Sexarbeitende in ihren Rechten stärkt.“ meint eine Sozialarbeiterin der Beratungsstelle Lefö in Wien.


Wenn über Sexarbeit berichtet wird, sollten die Stimmen und Perspektiven von Sexarbeitenden abgebildet werden. Denn wie Sexarbeitende von der Gesellschaft wahrgenommen werden, ist sehr stark mit der medialen Darstellung verbunden. Wir
appellieren daher an die Verantwortung der Medien und fordern eine sensible und menschenwürdige Berichterstattung.


„Allen soll klar sein: Sexarbeit ist ein freigewählter legaler Beruf in Österreich. Sexarbeit ist nicht Menschenhandel. Menschenhandel ist ein Verbrechen. Diesen Unterschied gilt es zu beachten.“ so die Selbstorganisation sexworker.at.


In diesem Sinne ist es wichtig, Sexarbeit als Arbeit anzuerkennen! Dadurch können Ausbeutung und Diskriminierung verhindert und die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeitenden verbessert werden.


Wir fordern:
• eine sensible Medienberichterstattung
• die Abschaffung diskriminierender Gesetze
• die Abschaffung der Pflichtuntersuchung
• ein Ende der Kriminalisierung und Illegalisierung von Sexarbeit


Je weniger Rechte Sexarbeitende haben, desto mehr Gewalt erleben sie. Nur Rechte verhindern Gewalt.

Stopp der Stigmatisierung von Sexarbeit!


*Sexarbeit wird im Alltagsverständnis fälschlicherweise fast immer als rein weibliches, heteronormatives Arbeitsfeld verstanden. Sexarbeit wird nicht nur von Frauen angeboten. Sie stellen aber momentan den Großteil der Sexarbeitenden in Österreich dar. Aufgrund von Mehrfachdiskriminierungen sind nicht-weiße und nichtbinäre (oder Trans-) Sexarbeitende noch eher von direkter und struktureller Gewalt betroffen.

Der Allianz PRO SEXWORK gehören folgende Organisationen an:

PiA Information und Beratung für Sexarbeiter*innen
LEFÖ Beratung, Bildung und Begleitung von Migrantinnen
maiz Autonomes Zentrum von und für Migrant*innen
SXA Information und Beratung für Sexarbeiter*innen
IBUS Innsbrucker Beratung und Unterstützung für Sexarbeiter*innen
Sexworker.at Sexworker Forum – Selbstorganisation von Sexarbeiter*innen
red edition Red Edition Migrant Sexworkers Group Austria

Nachdem ich meinen eigenen Artikel aus dem Jahr 2019 nun noch mal gelesen habe, möchte ich noch ein paar Begleitumstände und Fakten zur Pflichtuntersuchung darlegen: 

Österreich ist das letzte Land weltweit, in welchem diese Praxis noch stattfindet. Sie ist ein Relikt aus der Monarchie, als man die Huren für die Verbreitung der Syphilis verantwortlich machte. Zuletzt wurde eine ähnliche Untersuchungsvorschrift in Ungarn als menschenrechtsverletzend abgeschafft. 

Das Bundeskanzleramt verlinkt auf seiner eigenen Webseite eine Gesundheitsfolgenabschätzung aus dem Jahr 2019, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Pflichtuntersuchung NICHT gesundheitsförderlich ist.

Die Pflichtuntersuchung führt dazu, dass gerade in Österreich ungeschützter Verkehr im Paysex vermehrt nachgefragt wird, was die Gesundheit aller Beteiligten gefährdet. Unter Kunden herrschen großes Unwissen und Fehlinformation über die Inhalte dieser Untersuchung. So glauben viele Kunden, der Staat garantiere ihnen eine gesunde Sexarbeiterin, weshalb sie auf ein Kondom verzichten können. Dieser Irrtum ist fatal. Und er ist tagtäglich in Freierforen nachzulesen. 

Das Anmeldesystem für Untersuchungstermine wird regelmäßig unter Zuhilfenahme diverser technischer Tricks unterwandert, um Termine gegen Entgelt an Sexworker verkaufen zu können. Genau das, was man verhindern will, nämlich Ausbeutung, passiert also dadurch. 

Wir Sexworker bekommen auf den Gesundheitsämtern keine Behandlung und auch keine Befunde! Hat man Beschwerden im Intimbereich, bekommt man dort keinen Termin zwischen den vorgesehenen Terminen im 6-Wochen-Intervall, sondern man wird auf den nächsten regulären Termin verwiesen: “Sie sind in 3 Wochen wieder dran.” Ob man also mit Beschwerden weiterarbeitet, ist letztlich ohnehin wieder der Selbstverantwortung überlassen. Wird eine Erkrankung festgestellt, wird nur der “Deckel” entzogen. Braucht man eine Behandlung, muss man zum eigenen Arzt. 

Die Pflichtuntersuchung ist jedoch vor allem eins: Stigmatisierend. Sie verstärkt das ohnehin schon vorhandene Hurenstigma. Wenn zwei Erwachsene sich einvernehmlich für Sex entscheiden (und alles andere ist keine Sexarbeit, sondern wäre Vergewaltigung) so tragen sie beide gleichermaßen Verantwortung für die gemeinsame Gesundheit. Nur einer Partei diese Verantwortung umzuhängen und der anderen Partei somit ein falsches Signal zu geben, ist für die Gesundheit aller Beteiligten desaströs. 

Das Argument, es sei in Form der Pflichtuntersuchung die “Volksgesundheit” zu schützen, entlarvt sich als in hohem Maße diskriminierend und rückständig, da demnach die Sexworker “schädliche Elemente” für dieses Konstrukt der Volksgesundheit seien. Es ist jedoch sachlich nicht nachzuvollziehen, warum die Gefahr für die Volksgesundheit nur von Sexworkern ausgehen soll, da Krankheiten nicht mehr oder weniger ansteckend sind, wenn Geld den Besitzer wechselt. Demnach wäre es folgerichtig, alle sexuell Aktiven dieser Untersuchung zu unterziehen, nähme man das Konzept der Volksgesundheit tatsächlich ernst. Man könnte den Fokus auch auf die Freier legen und einen “Freierschein” einführen, der die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen erlaubt, was genauso absurd wäre. Sexworker sind nicht kränker als andere vergleichbar sexuell aktive Teile der Bevölkerung, das zeigen alle einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema. Und selbst wenn sie es wären, wäre eine Pflichtuntersuchung ohne Behandlung und Befundung nicht das richtige Mittel, um diesen Zustand zu beheben. 

Im Zusammenhang mit der Pflichtuntersuchung kommt es überdies immer wieder zu Outings im öffentlichen Raum, da jeder weiß: Wer dort reingeht, ist eine Hure. Schaulustige beobachten und fotografieren mitunter Sexworker, die sich an der Untersuchungsstelle manchmal bis auf die Straße heraus anstellen müssen. Man bekommt anzügliche Bemerkungen zu hören und vereinzelt kam es gar dazu, dass Sexworker von Passanten angespuckt oder verfolgt wurden. 

Der Zwang zur Untersuchung gehört abgeschafft, endlich auch in Österreich! 

An den Gesundheitsämtern braucht es dagegen freiwillige, niederschwellige, diskriminierungsfreie Untersuchungsmöglichkeiten, die ohne automatisches Outing im öffentlichen Raum auskommen, und die man immer in Anspruch nehmen kann, wenn es notwendig ist. Und zwar MIT Behandlung und Befundung. Dann macht es Sinn, und nur dann. 

Oh, mein allererster Blogbeitrag aus dem Jahre 2019! Weil ich gerade mit jemandem über das Thema gesprochen habe, hole ich den wieder mal hervor. Gute Unterhaltung. 

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Ich versuche normalerweise, meinen Blog nicht mit allzu vielen negativen Beiträgen zu beschmutzen. Doch ein Blick in Boulevardzeitungen lässt mir manchmal keine andere Wahl. Das war beispielsweise der Fall, als Bordellbetreiber sich medienwirksam als Retter der Sexarbeitenden hinstellten und sämtliche betreiberunabhängigen Sexarbeitsformen wie Escort und Straße, mit denen sie nun mal kein G’schäft machen, als Abgrund des Todes diffamierten.  Und das ist jetzt der Fall, wenn seitens Polizei wieder mal ein Bild von Wohnungssexarbeit gezeichnet wird, dass der Sau graust. 

Was bei uns als Synonym für das Böse und Illegale schlechthin gilt, ist in Staaten wie Deutschland oder England normal. Ganz im Gegenteil wird in England sogar argumentiert, dass die Selbstbestimmung von Sexarbeitenden vor allem dann gegeben ist, wenn sie über die Räume selbst verfügen – also in der eigenen Wohnung ihre Kunden empfangen. Es gibt natürlich, wie in Deutschland, Auflagen für diese Art von Sexarbeit, die von den davon Betroffenen vielfach auch als diskriminierend und unrealistisch kritisiert werden, wie etwa: getrennte WCs für Bewohnerinnen und Kunden, eine hohe Mindestquadratmeteranzahl, Trennung von Arbeits- und Schlafraum und noch vieles mehr. Welche Wohnung ist schon so groß und so gut ausgestattet, dass man diese Bedingungen erfüllen kann? Somit ist in diesen Staaten Sexarbeit in vielen Wohnungen erst recht wieder nicht legal möglich, einfach weil die Bestimmungen zu streng sind. Aber niemand würde auf die Idee kommen, Arbeit in der eigenen Wohnung per se als etwas Verwerfliches zu betrachten.

Bindestrich-Prostitutionen

Bei uns in AT besteht diesbezüglich eine Art Dogma. Wir bekommen das von Anfang an eingetrichtert: “Wohnungsprostitution ist böse”. Interessant ist es auch, diesbezüglich einen Blick auf diese spezielle Syntax zu werfen: Alle Komposita, die auf -prostitution enden sind böse. Es werden hier systematisch Begriffe mittels einer bestimmten Form negativ aufgeladen. Wie beispielsweise: Zwangsprostitution. Kinderprostitution. Armutsprostitution. Da wissen wir alle zu Recht und spontan: Das ist etwas Schlechtes. Geheimprostitution. Straßenprostitution – wenn auch nicht überall illegalisiert doch auch etwas sehr Negatives im gesellschaftlichen Bewusstsein. Beschaffungsprostitution. Drogenprostitution. 

Ihr könnt euch sicher sein, sobald Escort illegalisiert wird, heißt er nicht mehr Escort sondern “Begleitprostitution”. Oder “Hotelprostitution”. Gibt´s den Begriff nicht eh schon? Oder “Verschleierungsprostitution”, weil keiner so recht weiß, was man beim Escort eigentlich genau macht. Stimmt, nicht mal ich oder meine Kunden wissen das oft, bevor wir uns treffen. 

Und so erging es auch der von Bordellbetreibern unabhängigen Sexarbeit in Privatwohnungen: Sie wurde zur “Wohnungsprostitution”. Und dort geht es nun also so schlimm zu, dass Männer mit Kampfhunden auf die Kunden warten, um sie auszurauben. Wie lächerlich ist das, bitte? Ich habe diesen Artikel auf Facebook und Twitter geteilt, wo ich eher mit der deutschen Community vernetzt bin. Die Reaktionen darauf waren sehr belustigt, aber auch erschrocken. “Huch, was ist denn bei euch los?”, fragte etwa eine Kollegin. Ich wurde auch gefragt, ob ich da nicht vielleicht etwas falsch verstanden haben könnte, denn warum sollte denn Wohnungssexarbeit verboten sein.

Der österreichische Weg

Tja. Österreich eben. Bei uns gibt´s ja auch als einziges Land der Welt eine vaginale Zwangsuntersuchung für Sexarbeitende. Und es gibt eine “Abschlussuntersuchung”. Habt ihr das gewusst? Ja, tatsächlich: Nimmt man das Gesetz ganz ernst, dann muss man sich einer abschließenden Untersuchung unterziehen, wenn man mit der Sexarbeit aufhören will. Was das soll, oder was geschieht, wenn man das nicht tut, versteht niemand. Soll das bedeuten, ich darf erst dann aufhören, Geld zu verlangen, sobald ich mich dieser Untersuchung unterzogen habe? Solange ich nicht bei dieser Untersuchung war, darf ich keinen privaten Sex haben, oder wie? Muss ich dann von meinem Freund Geld verlangen und das steuerwirksam nachweisen? Darf ich nur aufhören, wenn mir “Gesundheit” bescheinigt wurde? Sonst muss ich weitermachen? Oder ist das Ergebnis eh wurscht, um aufhören zu dürfen? Warum aber dann überhaupt eine “Abschlussuntersuchung”? Bullshit. Schlicht und ergreifend: Bullshit. 

Aber dort will ich jetzt eh gar nicht hin. Lasst uns zurückkehren zum Herrn Hofrat Langer und seinem fadenscheinigen Schulterschluss mit von Kampfhunden bedrohten Kunden. Das ist ja auch so ein supertoller Trick. Durch das Heucheln von Solidarität mit den Kunden sollen diese ermutigt werden, Sexarbeiterinnen zu verraten, die nicht den widersprüchlichen, einengenden Gesetzen entsprechen. Das gibt er sogar ganz offen zu, wenn er sein Argument gegen das nordische Modell anführt: Der Grund, Freierbestrafung abzulehnen, liegt für ihn nämlich mitnichten  in Interessen von uns Sexarbeitenden, etwa dass uns dann angenehme Kunden abhanden kommen und tendenziell jene übrigbleiben, denen die Kriminalisierung egal ist. Nein, Freier dürfe man vielmehr deswegen nicht kriminalisieren, weil sie sonst der Polizei ja nicht mehr gefahrlos verraten können, was sie alles “Illegales” gesehen haben. Schlau. Sehr schlau, uns gegeneinander auszuspielen. Apropos schlau:

Vom Schlausein zur Schläue

Ein noch viel niederträchtigerer Griff ins Klo ist es, Selbstbestimmung und Eigenorganisation der Frauen als “Straßenschläue” zu bezeichnen. Was hat er sich da nur für ein spannendes, geradezu subversives Wort ausgedacht! Wären die Frauen abhängig von Zuhältern, dann wären sie vor allem eins: Klein und abhängig, Opfer mit einem Wort. Aber nein, Zuhälter gibt es kaum noch, sagt Langer himself. Die Frauen organisieren sich Unterstützung selbst. Aber anstatt das wertzuschätzen, anstatt zu sehen, dass diese Frauen zunehmend Selbstbestimmtheit erlangt und sich von Zuhältern emanzipiert haben, nennt er dies “Straßenschläue”. Ein Substantiv aus dem Adjektiv “schlau” gibt es ansonsten nur in “Bauernschläue”. Das soll wohl eine bewusste Analogie sein. Herr Hofrat scheint linguistisch interessiert! Mit “Schläue” konstatiert man jemandem zwar eine gehobene Denkleistung, die aber so einseitig auf den eigenen Vorteil bezogen ist, dass das ganze wieder dumm und insgesamt negativ wird. Es stecken darin Konnotationen von Gerissenheit, Verschlagenheit und Durchtriebenheit. Gerade letztere wird Frauen, die auf sich selbst schauen, kulturell sehr gerne unterstellt.

Wer nun Bauernschläue an den Tag legt, ist zwar etwas einfältig, weiß sich aber für seine eigenen Zwecke mit diversen Tricks gut durchzusetzen. Man kann ihn sich vorstellen, den Bauernschlauen, wie er sich schweinsäugig ausrechnet, wie er den Bürgermeister am besten übers Haxl haut und sich alles zum eigenen ökonomischen Vorteil ausrechnet – die einzig höhere Denkleistung, zu der er imstande ist, dies aber brilliant. Alles andere, woraus er keinen Vorteil für sich ziehen kann, interessiert ihn nicht, ist ihm zu hoch. Die Straßenschlaue sollen wir uns nun ebenso vorstellen: Eine Frau, durchtrieben, ehrgeizig, verschlagen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Jetzt kommt aber das gänzlich Unverständliche: Warum eigentlich Straßenschläue und nicht Wohnungsschläue, wenn es doch hier gegen die Wohnungsprostitution geht? Weil: Bullshit. Schlicht und ergreifend Bullshit. 

Journalistisches Scheitern

Der größte Bullshit ist aber, dass im gegenständlichen Boulevardartikel wohl wieder mal Hausbesuche (also Escort, eine legale Sexarbeitsform, zumindest im Osten Österreichs) mit Wohnungsprostitution verwechselt oder gleichgesetzt wurde. Anders ist wohl nicht zu erklären, warum in dem Artikel der Mord an einer Escortdame in Zusammenhang mit der verbotenen Wohnungsprostitution gestellt wird. Diese Unterscheidung ist eine, an der JournalistInnen so gut wie immer scheitern. Und dann kommt vor allem eins heraus: Bullshit. Schlicht und ergreifend Bullshit. 

Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand des Themas erbarmt und diesen “Prostituiertenmord” als solchen benennt. Natürlich muss er in den Kontext eines “Milieus” gesetzt werden, wo das anscheinend eh a bissl wahrscheinlich ist, dass sowas mal passiert. Braucht man sich nicht wundern. Ich hätte gerne bitte ab sofort einen ebenso groß aufgemachten Artikel, oder gar eine Reportage über die Gefahren der Ehe oder generell über die heterosexuelle Partnerschaft, und zwar bei jedem einzelnen Femizid im Kontext von Privatbeziehungen. Aber nein, die Ehe, das ist doch was Gutes. Ja, das würden wir gerne glauben. Doch die Ehe oder Partnerschaft endete dieses Jahr in Österreich für Frauen nun schon wie oft tödlich? 33 mal, 34 mal? Wir haben ein veritables Problem mit Besitzansprüchen an Frauen und mit Männern, die sich in irgendeiner Weise von Frauen herabgesetzt oder in ihrem eingebildet hegemonialen Bestimmenwollen eingeschränkt fühlen.

Der Mord in Ternberg ist ebenso ein Femizid. Irgendetwas ging eben nicht nach den Vorstellungen des Täters. Es ist doch völlig egal, aus welchem Grund diese Frau dorthin gegangen war. Fakt ist: Sie wurde auf bestialische Weise getötet. Mit Bissen in die Vulva und in die Brüste gefoltert, sodass sie erstickt ist, weil sie vor unvorstellbaren Qualen erbrach und ihr Erbrochenes und ihr Blut einatmete. Ja, das tut weh, wenn man es schreibt und liest, schrecklich weh. Ganz schnell weiterschreiben will ich, wenn diese Worte mir von der Tastatur rollen. Will gar nicht zurückschauen auf meine eigenen Zeilen. Unvorstellbar ist das. Das Weibliche musste der Täter zerstören, den Körper an seinen weiblichen Attributen kaputtmachen. Das hat nicht das Geringste damit zu tun, dass sie Sexarbeiterin war. Ein derart unaussprechlicher Hass auf Weiblichkeit hat etwas viel Grundsätzlicheres mit unseren Geschlechterverhältnissen zu tun. Niederträchtig ist es daher, dass dieser Mord nun herhalten muss dafür, dass Sexarbeit wieder mal in ein bestimmtes Licht gerückt wird. Macht das doch auch mit der Ehe! Zigmal hättet ihr dazu allein dieses Jahr schon Gelegenheit gehabt! Aber nein, nur die Sexarbeit ist es, über die man dann wieder süffisant schreiben kann, wie “straßenschlau” die Frauen doch sind, wenn sie sich selbst schützen müssen, weil Polizei und Justiz versagen, indem sie die zu Schützenden mit unsinnigen Verboten und Strafen traktieren und verfolgen – das Dümmste überhaupt. 

Im Konjunktiv

Zusammenfassend möchte ich etwas wiederholen, auf das ich eigentlich immer hinaus will, wenn ich mich über sowas echauffiere: Die Rechtslage ist in Österreich einengend, und das ist für Sexarbeitende sehr gefährlich. Es ist kaum möglich, immer und überall “legal” zu sein, egal wie man sich bemüht. Oftmals wissen die Behörden selbst gar nicht, welche Form von Sexarbeit in ihrem Bundesland nun eigentlich erlaubt ist oder nicht. Es gibt auch Grauzonen, die nicht eindeutig definiert sind. Ausnahmslos jede Sexarbeiterin kommt irgendwann mal in Situationen, wo man auf “illegalisierte” Sexarbeitsformen zurückgreift.

Beispiel, bitte durchgehend im Konjunktiv lesen: Wenn mich ein Kunde, den ich aus Wien gut kenne, auf ein Overnight in Salzburg einlüde und mir dafür ein gutes Honorar böte – dann müsste ich die Einladung ablehnen, weil ich damit eine Verwaltungsübertretung beginge. Dieser Kunde würde sich dann wohl denken, so eine blöde Kuh, die buch ich in Wien auch nicht mehr. Warum sollte ich also ablehnen? Niemals würde jemand von meiner Verwaltungsübertretung erfahren, und ich behielte den Kunden. Also selbstverständlich wäre ich hochmotiviert, diese gut bezahlte Buchung durch einen bekannten, angenehmen Kunden anzunehmen! Ich wüsste aber gleichzeitig, dass ich jetzt vulnerabel bin und das Recht nicht mehr auf meiner Seite steht. Gäbe es dann irgendein Problem, könnte ich die Polizei schon nicht mehr rufen, ohne mich selbst zugleich zu bezichtigen. Und das wissen auch Arschlöcher. Nicht, dass Arschlöcher zu meinen Kunden zählten, aber aus Lebenserfahrung weiß ich doch: Es gibt sie!

Der Geist, den ihr gerufen habt

Ab hier Konjunktiv Ende: In allen Kontexten, in denen man illegalisiert arbeitet, ist man nun Arschlöchern auf Gedeih und Verderb ausgesetzt. Arschlöcher können dann gratis Service erpressen. Oder Sexpraktiken, die man sonst ablehnt. Wenn man nun so leicht erpressbar ist, liegt es auf der Hand, sich selbst dagegen zu schützen, wenn man schon das Gesetz nicht auf seiner Seite hat. Der Mann mit dem Kampfhund ist ein Sinnbild dafür, was alles nicht funktioniert. Wenn es den tatsächlich irgendwo gibt, dann nur aus einem Grund: Diese Frau braucht ihn, weil sie sonst Arschlöchern ausgeliefert ist und sie von der Polizei keine Hilfe erwarten kann. Der Mann mit dem Kampfhund, das ist der Geist, den ihr selbst gerufen habt, und der euch jetzt als Vorwand dient, uns mit weiteren Einschränkungen noch abhängiger zu machen. Doch umso mehr ihr uns mit Verboten traktiert, umso realer wird das Bild von diesem Geist. Und umso mehr könnt ihr ihn beschwören. Das habt ihr echt super hingekriegt, gratuliere.

Realität findet statt. Immer. 

Sexarbeit und alle ihre Formen sind Realität. Genauso wie Abtreibung. Es ist weibliche Realität. Es geht in beiden Fällen darum, was man Frauen erlaubt, mit ihrem Körper zu machen. Nicht umsonst ist männliche Sexarbeit überhaupt nicht so groß Gegenstand von Verfolgung und Regulierung. Das liegt nicht daran, dass Männer in der Sexarbeit wenige an der Zahl sind, sondern daran, dass man ihnen zugesteht, dass ihnen das schon irgendwie Spaß macht und dass sie wissen, was sie tun. Bei Frauen aber meint man, sie durch Verbote und Vorschriften bis ins Pervertierte (Hineinschauen in Körperöffnungen durch Behörden) kontrollieren zu müssen. Doch Realität findet immer statt. Durch Einschränkungen und Verbote werden weder Sexarbeitsformen noch Abtreibung verhindert. Sie werden dadurch nur gefährlicher:

Stigma kills. 

In Salzburg findet derzeit die von der Plattform Menschenrechte ausgerichtete und von PiA Salzburg mitorganisierte Veranstaltungsreihe “Let’s Talk About Sex Work” statt. Am 07.06. durften wir von Sexworker.at im Anschluss an einen Vortrag der Sozialwissenschafterin Dr. Helga Amesberger im Rahmen einer Podiumsdiskussion über die Situation der Sexarbeit in Österreich und vor allem in Salzburg sprechen. Die gut besuchte Veranstaltung gab uns die Möglichkeit, unserer Forderung nach Gewährleistung der Menschenrechte für Sexarbeitende vor zahlreichem Publikum Ausdruck zu verleihen. Hierzu zählt allem voran unser dringender Ruf nach Abschaffung der in Österreich als einzigem Land weltweit stattfindenden gefährlichen Zwangsuntersuchung für Sexworker, die auch von Amnesty International aufs Schärfste verurteilt wird. 

Die für mich wichtigste Einsicht dieses Tages erhielt ich aus dem Vortrag von Helga Amesberger. Eigentlich liegt es auf der Hand, doch es war wichtig, dies als eindeutiges Forschungsergebnis bestätigt zu hören:

Die Größe des Sexarbeitsmarktes ist stabil und ändert sich nicht durch Veränderungen in der Gesetzgebung. Es wird also durch Verbote und rigide Regelungen niemals und nirgendwo weniger Sexarbeit angeboten oder nachgefragt. Durch die Ausgestaltung der Gesetzgebung ändern sich nur zwei Faktoren, nämlich erstens: Das Verhältnis zwischen legalem und illegalem Bereich. Rigide Gesetzgebung schränkt Sexarbeit also niemals ein, sondern verkleinert nur den legalen Bereich zugunsten eines im selben Ausmaß wachsenden illegalen Bereichs. Der zweite von Gesetzgebung abhängige Faktor sind die Arbeitsbedingungen der Sexarbeitenden. Umso rigider, kriminalisierender die Rechtslage ist, umso größer natürlich der illegalisierte Bereich und umso schlechter die Arbeitsbedingungen (die wiederum direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit haben).

Das ist sehr einleuchtend und sehr logisch. Daher bitte ich euch wieder: Haltet einen Augenblick inne, denkt das durch: Bitte geht keinen “gutgemeinten” Regeln auf den Leim, die vordergründig unserem “Schutz” dienen sollen. An uns adressierte Regeln und Vorschriften dienen ausschließlich unserer Kontrolle und Einschränkung, und genau dadurch werden WIR gestraft, verfolgt, erpresst, WIR, die man “schützen” wollte. Schützen kann man Menschen jedoch nur, indem man sie mit Rechten ausstattet und für die Einhaltung dieser Rechte kämpft! 

Ich danke allen Beteiligten für ihre großartige Arbeit für diese Veranstaltungsreihe, vor allem Christine Nagl von PiA, Christian Knappik von Sexworker.at, der etablierten Kollegin Nora White, die mit mir am Podium saß, und einer angehenden Kollegin, die mir angenehme Gesellschaft auf der verregneten Autofahrt gewährte und der Diskussion im Publikum beiwohnte. Leider konnte ich am zweiten Tag der Veranstaltung nicht mehr in Salzburg dabei sein, als die großartige Doku “Wo Sexarbeiterinnen keine Rechte haben” gezeigt wurde. Ich werde diese Doku aber für euch in einem eigenen Blogbeitrag zur Verfügung stellen. 🌹

INDEPENDENT ESCORT WIEN

…ist Begleitung für intelligente Menschen. ❤️ 

Liebe Leute, ich danke euch für die mentale und persönliche Unterstützung anlässlich der Veranstaltungen rund um den internationalen Hurentag! Die Frauensprecherin der Grünen Wien, Viktoria Spielmann, hat am 02.06. auf der von LEFÖ ausgerichteten Veranstaltungen am Urban-Loritz-Platz genau das gemacht, was allgemein selbstverständlich sein sollte: Nämlich MIT uns anstatt ÜBER uns zu reden. Die Allianz PRO SEXWORK für die Rechte von Sexarbeitenden, der auch wir von Sexworker.at angehören, freut sich insbesondere darüber, dass die Grünen uns in unserem wichtigsten Anliegen unterstützen, nämlich der Abschaffung  der demütigenden und weltweit nur in Österreich stattfindenden Zwangsuntersuchung für Sexworker. 

Besonderen Dank möchte ich an Christine Nagl von PiA Salzburg für ihr unermüdliches Engagement richten! ❤️

Fotocredit Julian Kocher

Der rote Regenschirm symbolisiert den Widerstand der Sexarbeitenden gegen Entrechtung. Die fehlenden Rechte sind es nämlich, die uns vulnerabel für Ausbeutung machen. Wir fordern daher ein konsequentes Umdenken und einen veränderten Blick auf Sexarbeit, der uns Menschenrechte zugesteht, allen voran das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ohne die paternalistische Einmischung des Staates in intime Begegnungen. 

Fotocredit Julian Kocher

Ganz außerordentlich gefreut hab ich mich darüber, dass sogar Kunden von mir am Welthurentag vorbeigekommen sind, denn das Hurenstigma betrifft immerhin nicht nur Sexarbeitende, sondern auch ihre Kunden. Ich bin überzeugt davon, dass der Tag kommen wird, da man Sexarbeitskunden nicht mehr unkenntlich machen muss, um sie vor Anfeindung zu schützen. Mit ihrer ausdrücklichen Erlaubnis darf ich diesen Schnappschuss von der Eispause mit euch teilen. ❤️

Sexarbeiterinnenrechte sind Menschenrechte. Bitte hinterfragt immer “gutgemeinte” Regelungen, die uns in unserem Tun einschränken, denn nur allzu schnell geraten wir genau dadurch in jene Ausbeutung und Abhängigkeit, die man eigentlich zu vermeiden trachtet. Nur Rechte ermöglichen uns Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Selbstverantwortung. Verbote und andere einschränkende Regulierungen liefern uns dagegen Polizeiverfolgung und Erpressungsversuchen aus. Only rights can stop the wrongs. ❤️

INDEPENDENT ESCORT WIEN